Claudia Hiepel, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen und langjähriges Mitglied des Deutsch-Französischen Historikerkomitees, ist am 13. Februar 2023 an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Mit ihr verliert das Komitee eine allseits beliebte Kollegin und eine ebenso anregende wie produktive Forscherin, die viel zur Entwicklung des Forschungsfelds der deutsch-französischen Beziehungen beigetragen hat.
Claudia Hiepel wurde am 10. März 1967 als Arbeiterkind im Ruhrgebiet geboren. Sie studierte Geschichte, Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Universität Essen (seit 2003 Universität Duisburg-Essen). Nach ihrer Promotion im Jahr 1998 trat sie eine Stelle als Hochschulassistentin an. 2006 wurde sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin mit eigenem Forschungs- und Lehrauftrag. Nach ihrer Habilitation im Fachgebiet Neuere und Neueste Geschichte im Jahr 2011 nahm sie Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Hamburg, Marburg, Münster und Kassel wahr. 2016 war sie zudem als Gastdozentin für Neuere Geschichte an der Universität Wien tätig.
Als Historikerin hat Claudia Hiepel ein breites Forschungsprofil entwickelt, das vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart reicht, von der Geschichte des Ruhrgebiets bis zur europäischen Einigung und von der Geschichte sozialer Bewegungen bis zur Geschichte der internationalen Beziehungen und der globalen (Un-)Ordnung. Im Bereich der deutsch-französischen Beziehungen war ihre Habilitationsschrift über „Willy Brandt und Georges Pompidou. Deutsch-französische Europapolitik zwischen Aufbruch und Krise“ (erschienen 2012) bahnbrechend, mit der sie eine Umbruchphase in der Geschichte der europäischen Integration erstmals auf breiter Quellengrundlage analysierte. Diese Arbeit hat breite Anerkennung gefunden und ist mit gleich vier Preisen ausgezeichnet worden: dem Willy-Brandt-Preis der Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung für wissenschaftlichen Nachwuchs, dem Émile-et-Aline-Mayrisch-Förderpreis des Cercle des Amis de Colpach, dem Deutsch-Französischen Parlamentspreis für herausragende Beiträge zur deutsch-französischen Verständigung und einem Preis der Förderinitiative „Deutsch plus“ der Volkwagenstiftung. Mit dem letztgenannten Preis konnte Claudia Hiepel eine Übersetzung ihrer Habilitationsschrift ins Französische finanzieren, die 2016 erschienen ist („Willy Brandt et Georges Pompidou. La politique européenne de la France et de l’Allemagne entre crise et renouveau“, Presses Universitaires du Septentrion).
Nach ihrer Habilitation widmete sich Claudia Hiepel unterschiedlichen Aspekten einer Gesellschaftsgeschichte der europäischen Integration – unter anderem mit Arbeiten zur Geschichte des Europäischen Management-Forums in Davos, zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa und zur belgischen Besatzung und Truppenpräsenz in Nordrhein-Westfalen. Sie gab nicht weniger als vier gewichtige Sammelbände heraus, war aktives Mitglied in vielen Arbeitskreisen und organisierte Rezensionen für H-Soz-u-Kult und das Journal of European Integration History. Mit alledem wurde sie zur perfekten Netzwerkerin: anregend, offen, energisch und absolut zuverlässig. Bei aller intellektuellen Brillanz und stilistischen Könnerschaft blieb sie bescheiden im Auftreten und wurde so zu einer verlässlichen Größe auch und gerade in deutsch-französischen Forschungszusammenhängen. Das Deutsch-Französische Historikerkomitee wird sie sehr vermissen.
Wilfried Loth, Universität Duisburg-Essen