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Bericht: Transnationale Repräsentationen von Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg (Deutschland – Polen – Tschechien – Slowakei)

Vom 20. bis 22. März 2014 fand an der Universität Lille 3 das von Prof. Dr. Dominique Herbet (Lille 3) und Dr. Carola Hähnel-Mesnard (Lille 3) veranstaltete Symposium „Transnationale Repräsentationen von Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg (Deutschland – Polen – Tschechien – Slowakei)“ statt.

Aus einer europäischen Perspektive sollte erörtert werden, inwieweit heutzutage die Wahrnehmung von Flucht und Vertreibung der Deutschen Gegenstand der zeitgeschichtlichen Forschung in den jeweiligen Ländern ist und inwiefern es in diesem Bereich wissenschaftliche Neuansätze gibt. Außerdem sollten die möglichen Auswirkungen der Ereignisse und ihrer Wahrnehmungen auf die Konstruktion von Identitäten und Erinnerungen in Mitteleuropa thematisiert werden. Der Schwerpunkt der Tagung lag auf der Repräsentation der geschichtlichen Ereignisse (mit einem Fokus auf die Zeit nach 1989) und auf deren Darstellung in der Literatur, in der Kunst, in den Medien sowie in Museen bzw. Ausstellungen.

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Die Tagung teilte sich in neun sich ergänzende Panels. Das erste Panel stand unter dem Titel „Globale Ansätze“ und wurde von Anne Bazin (IEP Lille) mit einem Referat über die Frage der Vertriebenen in den Beziehungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn nach 1989 eröffnet. Die Jahre 1989/1990 bilden dabei eine Zäsur, denn ab 1990 wurde auf beiden Seiten die Notwendigkeit einer Bewältigung der Vergangenheit anerkannt, ohne dass jedoch ein Konsens darüber gefunden werden konnte, wie sie stattfinden sollte bzw. wie die Beziehungen wieder aufgebaut werden sollten. A. Bazin beobachtete dabei drei Formen des Umgangs mit der Vergangenheit: vergessen und einen Schlussstrich ziehen, auf speziell ausgewählte Aspekte der Vergangenheit zurückgreifen sowie Wiedergutmachung. Obwohl sich der Blick auf Flucht und Vertreibung besonders nach 1998 verändert hat, so bleibt die Vergangenheit jedoch ein Mittel zur politischen Instrumentalisierung. Helmut Fehr (Budapest) befasste sich mit den Deutungsmustern zum Vertreibungskomplex in Polen und der Tschechischen Republik nach 1989 und sprach über die Deutschen als symbolisch „Andere“. In diesem Zusammenhang analysierte Fehr einerseits die Mobilisierung historischer Stereotypen und Feindbilder durch populistische Eliten, die mit einer Brutalisierung der politischen Rhetorik und der Betonung eines ethnischen Nationalismus einhergeht. Andererseits verwies Fehr auf gegenläufige Tendenzen vor allem aus dem gegenkulturellen Bereich, die durch Denkmalenthüllungen, Theateraufführungen und Filmprojekte eine Kultur des Erinnerns pflegen. Insgesamt muss jedoch festgestellt werden, dass man in Polen und in der Tschechischen Republik bis jetzt noch über keine angemessene Sprache verfügt, um die Deutschen als Nachbarn neu zu betrachten. Im Anschluss daran brachte Lena Christolova (Konstanz) anhand der Filme Habermann von Juraj Herz (2010) und Töten auf Tschechisch von David Vondraček (2010) Überlegungen zum Thema der „Anerkennung“ des Anderen in die Diskussion ein, welche die Frage nach der persönlichen Verantwortung ebenso aufwirft wie die nach der Ausdifferenzierung verschiedener Anerkennungssphären.
Der Keynote-Vortrag von Michael Schwartz (Berlin) zum Thema „Ansichtssachen: Nationale, europäische und globale Perspektiven auf moderne ethnische Säuberungen“ stellte die Frage nach der angemessenen Untersuchungsebene in Hinblick auf ethnische Säuberungen. So zeigte Schwartz zunächst, inwiefern eine isolierte, selbstbezogene Betrachtung der Ereignisse aus der Nationalperspektive zur Absolutierung führen kann und nicht ausreicht, um die Stellung der eigenen Opfer in einem größeren Gesamtgeschehen angemessen zu verorten. Im Gegensatz dazu erlaube es eine prozessuale Sicht, die Vorgeschichten in Betracht zu ziehen und den zu Blick erweitern, und z.B. die Tendenz zum Rollentausch zwischen Tätern und Opfern sichtbar zu machen. Eine europäische, eurasische oder globale Perspektive ermögliche eine Reflexion über parallele Fälle und Präzedenzfälle sowie historische Wechselwirkungen. Schwartz betonte, dass man sich mit der politischen Funktion der Forschung über ethnische Säuberungen auseinandersetzen müsse und dass Perspektivierung und Relationierung nicht mit historisch-moralischer Relativierung verwechselt werden dürften.
Das zweite Panel widmete sich der Historiographie und wurde von Muriel Blaive (Wien) eingeleitet. Sie untersuchte den Zusammenhang zwischen historischen Fakten und kollektivem Gedächtnis in der Tschechoslowakei und der Tschechischen Republik. Dieses Gedächtnis sei durch drei Komponenten gekennzeichnet: die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, an die Flucht und Vertreibung und an den Kommunismus, die untereinander zu unterscheiden, aber nicht zu dissoziieren seien. Blaive betonte die Selektivität der kommunistischen Geschichtsdarstellung, die historische Indoktrinierung und die heute noch zu spürenden Folgen in Form von Ignoranz zum Thema Flucht und Vertreibung, welches in der Tschechischen Republik ein heikles Thema bleibt. Jerzy Józef Kołacki (Poznan) befasste sich anschließend mit der Behandlung von Flucht und Vertreibung der Deutschen in der polnischen Geschichtsschreibung nach 1989. Kołacki erläuterte, wie der Begriff der Vertreibung als Beschreibungskategorie, als historiographisches Problem bzw. als universaler Begriff, der allgemein eine Form von Säuberung kennzeichnet, angewendet und verstanden wird. Pascal Fagot (Straßburg) analysierte im Anschluss daran 2010 veröffentlichte amtliche Dokumente aus den 1950er Jahren über die organisierte Auswanderung von Deutschen aus Polen. Die aus unterschiedlichen Gründen gewollte Ausreise der Deutschen hatte hier nichts mehr mit „Vertreibung“ zu tun, und paradoxerweise war es jetzt Polen, das aus wirtschaftlichen Gründen wenig Interesse an dieser Abwanderung hatte. Die Benutzung und den Missbrauch des Begriffes der Familienzusammenführung, als Form eines erreichten Kompromisses zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik, deutete Fagot als eine verborgene normale Emigration.
Anschließend eröffnete Katarzyna Woniak (Berlin) das erste Atelier für Nachwuchswissenschaftler und stellte die Ergebnisse einer Studie über deutsche Heimatvertriebene und polnischen Sibirjaken in einer polnischen Kleinstadt dar, die sich in der Öffentlichkeit als Schicksalsverbundene darstellen. Woniak setzte sich mit der Nachhaltigkeit dieser vermeintlichen Erinnerungsgemeinschaft, die aus einer verwandten Form des Verlusts der Heimat resultierte, auseinander und verwies dabei vor allem auf die Mängel dieser Schicksalsverbundenheit, deren Kernproblem das Fehlen einer notwendigen Kritik und einer historischen Reflexion sei, denn die gegenseitig empfundene Empathie sei keine Voraussetzung, um die zwischen den beiden Gruppen vorhandene historische Asymmetrie zu theorisieren. Die Ethnologin Gesa Bierwerth (Laval) führte von 2008 bis 2013 eine Feldforschung zur Rolle von Reiseführern in einem Unternehmen durch, das für ehemalige Ostdeutsche Reisen nach Ostpreußen organisiert. Schwerpunkt der Arbeit ist die Frage nach der Rolle der Reiseführer. Während der Reisen wurde Heimwehtourismus in direkter Verbindung mit dem Thema Flucht und Vertreibung betrieben, aber auch das Kulturerbe aus deutscher Zeit gepflegt. Dabei spielten die Reiseführer als Moderatoren und Mediatoren eine beachtliche Rolle, die kritisch hinterfragt werden muss.

Der zweite Tagungstag begann mit einem Panel zur Musealisierung der Ereignisse um Flucht und Vertreibung. Catherine Perron (IEP Paris) stellte historische Museen, §96-Museen und Heimatmuseen vor und dokumentierte dabei eine zerklüftete Erinnerungslandschaft (Eva und Hans Henning Hahn), die der Entstehung eines kulturellen Gedächtnisses nicht immer förderlich war, was im Kontext der Eröffnung der Dauerausstellung eine besondere Relevanz hatte. Sie zeigte aber, dass das Thema Flucht und Vertreibung schon früh über eine institutionelle Stütze verfügte, die Museen jedoch auf Ikonisierung, Emotionalisierung setzten und jede Kontextualisierung fehlte. Ab 2000 entwickelte sich aber die Tendenz nach der von Rot-Grün initiierten Wende in der Förderungspolitik mehr in Richtung Historisierung und Transnationalität, vor allem in den größeren Museen. Die darauffolgende Präsentation von Michael Dorrmann (Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung) zeigte die geplante europäische Dimension der Dauerausstellung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, wobei die chronologische Annäherungsweise vom 19. Jahrhundert ausgehend bis zum Ende des 20. Jahrhunderts bevorzugt wurde und auch Zeitzeugenberichte einen gewissen Platz haben sollten. Mit der Geschichte von Zwangsmigrationen und von gelungenen Beispielen der Integration wird beabsichtigt, zur Versöhnung beizutragen, und eine Europäisierung der Vertreibungserinnerung angestrebt.
Der Keynote-Vortrag von Bill Niven (Nottingham) zum Thema Erinnerung an den Holocaust und an Flucht und Vertreibung basierte auf einem Schlüsselerlebnis Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, als die US-Serie Holocaust 1979 und die ARD-Dokumentation Flucht und Vertreibung 1981 ausgestrahlt und von Millionen Deutschen gesehen wurden. Er hob die Spannungen zwischen beiden Erinnerungen hervor, welche auf dem Schuldgefühl der Deutschen basierten. Fakt ist jedoch, dass es ohne den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust keine Vertreibung gegeben hätte, eine Erkenntnis, die sich schließlich im 21. Jahrhundert durchgesetzt habe, weshalb die politische Erinnerung heute nicht revisionistisch sei.

Im zweiten Atelier für Nachwuchswissenschaftler stellte Agnieska Kuczala (Katowice) zunächst ihr auf ethnologischen Beobachtungen während des Wahlkamps 2011 beruhendes Forschungsprojekt über die deutsche Minderheit in Oppeln vor, wobei sie mit den Begriffen „symbolische Vertreibung“ und „symbolische Rückkehr“ operierte. Letztere vollzog sich nach 1989, als Vertreter der deutschen Minderheiten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene wieder am politischen Leben teilnehmen und auf ihre Geschichte aufmerksam machen konnten. Alice Volkwein (Saint-Cyr) hinterfragte anschließend die Formen der kollektiven Erinnerung an Flucht und Vertreibung im vereinigten Deutschland und analysierte die unterschiedlichen Etappen in der zeitlichen Herausbildung dieses „Erinnerungsortes“. Einen wichtigen Einfluss hätten hierbei vor allem transnationale Diskurse im Zuge der europäischen Debatten zum Thema ausgeübt.
Der Nachmittag des zweiten Tagungstages war den literarischen Repräsentationen der Thematik gewidmet. Friederike Eigler (Washington) hielt zunächst einen anregenden Keynote-Vortrag zur Darstellung von „Flucht, Vertreibung und Heimat aus geokritischer Perspektive“, der auf raumtheoretische Konzepte zurückgriff, um anhand von Werken Horst Bieneks, Sabrina Janeschs und Jörg Bernigs zu zeigen, wie die Autoren dynamische und belebte literarische Räume konstruieren, um der Komplexität der Geschichte in den von Flucht und Vertreibung betroffenen Regionen gerecht zu werden.
Im anschließenden Panel standen Autoren der tschechischen sowohl deutschsprachigen Gegenwartsliteratur im Mittelpunkt. Martin Petras (Lille) und Kristyna Matysova (Lille) stellten in ihren Vorträgen die jüngsten Werke von Radka Denemarková, Jakuba Katalpa und Kateřina Tučková vor, die anhand unterschiedlichster Figurenkonstellationen und Plots der schwierigen deutsch-tschechischen Vergangenheit näher zu kommen versuchen und dabei auch die gängigen nationalen Interpretationsmuster der Geschichte seitens der Tschechen in Frage stellen. Abschließend untersuchte Emmanuelle Aurenche (Lyon) an Texten von Tanja Dückers, Olaf Müller und Hans-Ulrich Treichel das Motiv der Reise in die ehemalige Heimat der Elterngeneration und dessen Funktion bei der Rekonstruktion von Erinnerungen seitens der dritten Generation.
Am Samstag fand dann das zweite Panel zu literarischen Darstellungen von Flucht und Vertreibung statt. Marcin Cieński (Wroclaw) begab sich zunächst auf Spurensuche in der polnischen Literatur und unterschied zwischen drei Zeiträumen. Die erste Periode bis Mitte der 70er Jahre war durch eine Verdrängung der Vertreibung, durch die Ausradierung deutscher Elemente und durch ein Bild der Deutschen als Feinde gekennzeichnet. Erst ab Mitte der 70er Jahre fielen neue Elemente auf, wie die Idealisierung oder auch die Verharmlosung des Geschehens. Die Erinnerungssuche spielte eine beachtlichere Rolle. Nach 1989 wurde die Vertreibung präziser dokumentiert. Meike Penkwitt (Aachen) widmete sich der Darstellung des Themas durch die Autorin und bildenden Künstlerin Erica Pedretti anhand von Texten aus den 1970er und 1990er Jahren. Penkwitt untersuchte inhaltliche, erzähltechnische und erzähltheoretische Aspekte des Werkes und hob unterschiedliche Aspekte wie die Thematisierung der Schuldhaftigkeit, die Autofiktionalität, die Musikalität und den hybriden Charakter des Textes hervor, die insgesamt zu einem sensiblen Umgang mit dem Thema führten. Katja Schubert (Nanterre) richtete ihren Fokus auf die Vertreibung im Spätwerk von Christa Wolf und vertrat die These einer Entwicklung in den Texten von Christa Wolf, die von einer vollständigen Verankerung des Themas im Kontext des Zweiten Weltkriegs und der NS-Zeit zu einer Reduzierung der Perspektive, zu einem gewissen Abschied von der Geschichte im Spätwerk führte. Der Analyse lagen drei Texte zugrunde: Blickwechsel (1970), Stadt der Engel (2010), August (2012). Vor allem in letzterem sei die radikale Abdichtung vor der Geschichte bemerkenswert, die auf eine Resignation und Desillusion am Ende des Lebens verweise.
Das nächste Panel stand unter dem Motto „Audiovisueller Bereich: Kino, Fernsehen“ und wurde von Maren Röger (Warschau) eingeleitet. Sie zog einen Vergleich zwischen den audiovisuellen Geschichtsbildern der Vertreibung in (West-)Deutschland und Polen seit 1945 und vertrat die These, dass in der Bundesrepublik ein umfangreiches gepflegtes Gedenken stattgefunden habe und dass in der DDR und der Volksrepublik Polen der Begriff des Tabus nicht ganz treffend sei, auch wenn das Gedenken der ideologischen Sprachregelungen unterworfen war. Während in der Frühphase bis zu den 60er Jahren die Darstellung der Zwangsumsiedlung entkonkretisiert war, versuchte man in den 1970er Jahren eine neue Sprache für den Verlust der Ostgebiete zu suchen. In den 80er Jahren erfuhr das Thema ein verstärktes öffentliches Interesse, wobei der Zeitzeuge eine immer zentralere Rolle spielte. Nach 1989 folgte dann ein regelrechter Erinnerungsboom, der seinen Höhepunkt in den 2000er Jahren erreichte. Christian Jacques (Straßburg) interessierte sich anschließend für die Materialität der Medialisierung von Wissen über Dokumentarfilme, die er als Ort der Vermittlung von Wissen versteht. Jacques zufolge kann man die Dokumentarfilme Flucht und Vertreibung von Just von Morr und Eva Berthold (ARD/BR 1981) und Die große Flucht von Guido Knopp (ZDF 2001) als Meistererzählungen verstehen, die eine bis heute gültige Ikonographie entwickeln. Er zeigte des Weiteren auf, wie trotz der Erwähnung der universalen Werte der Menschenrechte die Darstellung der Vergangenheit ethnozentriert blieb. Nur die Bildung eines transnationalen oder europäischen öffentlichen Raumes könne es ermöglichen, über Repräsentationen einer gemeinsamen Vergangenheit zu verfügen. Die Geographin Nadine Fonta (Paris) führte in ihrer Analyse den Dokumentarfilm Aber das Leben geht weiter von Karin Kaper und Dirk Szuszies (2001) und den 2008 erschienenen polnischen Atlas „Illustrierte Geschichte der Flucht und Vertreibung – Ost- und Mitteleuropa 1939-1959“ zusammen. Während die Karten die historischen Ereignisse möglichst genau darzustellen versuchen, bildet der Atlas den wissenschaftlichen Kontrapunkt zu dem Dokumentarfilm, der in seiner Darstellungsweise sehr subjektiv ist.
Das letzte Panel der Tagung war den Fragen von „Erinnerung und Gedächtnis“ gewidmet. Die Historikerin Ségolène Plyer (Straßburg) präsentierte eine auf 60 Oral-History-Interviews beruhende Studie über sudetendeutsche Lebenserzählungen und das Gedächtnis der Vertreibung. Die zwischen 1997 und 2001 interviewten Personen, die vor 1945 im Sudetenland und danach in beiden deutschen Staaten wohnten, lieferten Erzählungen, die eine unerwartete Homogenität sowohl des Erzählten als auch der Erzählweise zutage legten. Eine Erklärung dafür sei, dass alle Interviewten die Ereignisse als Kinder erlebt und sich dann mit den Leiden der Eltern- und Großelterngeneration identifiziert und deren Erzählungen übernommen haben. Dies führe zur Herausbildung eines erstarrten Gedächtnisses. Das Referat von Gwenola Sebaux (Angers) erwies sich als Replik auf den vorangehenden Vortrag. In ihrer anthropologischen Untersuchung über die Deutschen aus dem Banat zeigte sie, inwiefern die Repräsentationen in dieser Gruppe voneinander abweichen. Sie betonte die Besonderheit dieses Fallbeispiels und unterschied zwischen den Deutschen aus dem Banat, die in die Bundesrepublik emigrierten und den Deutschen, die im Banat geblieben sind und nicht aus den rumänischen Gebieten vertrieben wurden. Einerseits könne man wegen eines komplexen „Entheimatungsprozesses“ beider Gruppen vielfältige, fragmentierte Erinnerungen wahrnehmen, andererseits sei das Banat auch Ort eines Kulturtransfers, da sich die rumänische Mehrheitsbevölkerung vermehrt deutsches „Kulturgut“ aneigne und die Gruppe der verbliebenen Deutschen eine hybride Identität annehme. Dieses Referat zeigte, wie die Identitätsfragen und die Fragen zum Thema der Erinnerung zur Deutung der Zeit nach der Vertreibung beitragen können. Das Panel und die Tagung endeten mit einem Vortrag von Pierre de Trégomain (Paris) über die Siebenbürger Sachsen, einem Sonderfall, da diese Gruppe keine Vertreibung erlebte, sondern nur teilweise aus dem Norden Transsilvaniens evakuiert wurde. Gegenstand der Analyse waren die politischen Repräsentationen der Ereignisse am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg im Diskurs der Siebenbürger Sachsen. Mit der Methode der Diskursanalyse wurde herausgearbeitet, wie sich die Siebenbürger Sachsen auf Kosten der Wirklichkeitstreue einer Gemeinschaft anschlossen, die auf dem gemeinsamen Gedächtnis der Heimatvertriebenen beruhte. Am Beispiel von öffentlichen Veranstaltungen zeigte de Trégomain, wie durch semantische Verschiebungen die Zugehörigkeit zu dieser historischen Gemeinschaft der Vertriebenen gefestigt wurde.

Die Konferenz hat insgesamt mit ihrer Vielfalt von Ansätzen und Gegenständen einen Beitrag zur Forschung zur transnationalen Repräsentationen von Flucht und Vertreibung geleistet, auch wenn mehrere Beispiele gezeigt haben, dass es noch Schwierigkeiten gibt, in den Dialog mit den Nachbarn zu treten, ohne eine nationale Perspektive einzunehmen.

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CR rédigé par Lise BLONDEEL, agrégée et doctorante à CECILLE (Université Charles de Gaulle – Lille III)

Quelques thèses récentes (histoire, études germaniques ou sciences sociales)

à lire dans la revue Trajectoires  (la revue des jeunes chercheurs du CIERA)